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Arbeitsweise der Bandmaschine
Zwischen Aufnahme- und Wiedergabekopf einer handelsüblichen Bandmaschine (Revox A77) wird das Band um eine Rolle gelenkt, so daß eine Verzögerung von ca. 9 Sekunden erreicht wird. Jedes Eingangssignal wird nach 9 Sekunden 'abgespielt' und kann dem Eingangssignal beigemischt werden, wobei es abgeschwächt werden kann und durch Gerätefehler verzerrt wird.
Doppelspeicher: Zusätzlich zur ersten Bandmaschine kann das Band zu einer zweiten Bandmaschine geführt werden, wo es nochmals abgespielt wird. Dieses zweite Signal kann ebenfalls als Eingangssignal verwendet werden. Dann überlagern sich die Signale beider Bandmaschinen.
Spielsituation
Anfangs wurde der Speicher nicht manipuliert, d.h. alle Töne kamen in den Speicher. Jeder Ton ist dann eine Erfahrung. Er kann nicht korrigiert werden und kehrt zudem immer wieder. Die Verzerrung durch die Bandmaschine wird dabei immer grösser. Außerdem wird er durch die neu hinzukommenden Töne in eine andere Beziehung gesetzt. Im Laufe der Zeit entsteht ein Bodensatz von Klängen. Jeder gespielte Ton muß sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und definiert zugleich die Zukunft. Bei der kommerziellen Reproduktion von Musik wird diese aufgenommen und - zeitlich und örtlich versetzt - wiedergegeben. Die Verankerung von Musik in Ort und Zeit wird dabei ignoriert, von der klanglichen Veränderung ganz abgesehen. Bei Zeitfalten ist die klangliche Veränderung musikalischer Bestandteil. Aufnahme und Wiedergabe werden in die Gegenwart (am gleichen Ort) zusammengeführt.
Später wurde durch ein Mischpult die Möglichkeit eröffnet, sowohl Eingangs- wie Speichersignale zu beeinflussen. Dadurch werden Mischpult und Bandmaschinen zu einem Instrument zur musikalischen Artikulierung, wobei das Rohmaterial von außen kommen kann, oder ausschließlich intern erzeugt werden kann. Die Gestaltungsmöglichkeiten und der resultierende Klangcharakter sind in beiden Fällen ähnlich.
1988 Zeitfalten-Suiten (Bratsche, Bandmaschine)
In den Suiten werden die Möglichkeiten musikalischer Reaktionen auf das Verhalten des Speichers erforscht. Jeder Ton ist eine Erfahrung. Er kann nicht korrigiert werden und kehrt zudem immer wieder. Im ersten Abschnitt summieren sich zum Beispiel statistisch eingegebene Pizzicatos zu einem immer dichteren Muster, aus dem der Hörer rhythmische Figuren ausblendet. In einem anderen Abschnitt wird eine Figur bei jeder Wiederholung weiter aufgebaut, d.h. sie entwickelt ihre Identität nach und nach. Die Überlagerung einer längeren Figur ist Gegenstand eines weiteren Abschnittes.
1989 Zeitfalten-Radiocontainer (Radioempfänger,Bandmaschine)
In Radiocontainer wird ein UKW-, KW-, MW-Empfänger als Tonquelle verwendet. Das Klangmaterial läßt sich grob nach Wortsendungen, Musiksendungen und Geräuschen sortieren. Bruchstücke aus diesen drei Bereichen werden in den Speicher eingespeist und überlagern sich. Im Gegensatz zu den Suiten wird nicht alles gespeichert. Außerdem werden auch wieder Stücke aus dem Speicher entfernt. Im Speicher sammelt sich Radiomüll, der langsam kompostiert.
1990 Zeitfalten-Messages (Kurzwellenempfänger, Bandmaschine)
In Messages wird ein KW-Empfänger als Tonquelle verwendet, wobei nur Morsesignale ausgewählt werden. Auch hier wird nicht alles gespeichert. Außerdem werden auch wieder Stücke aus dem Speicher entfernt. Morsesignale sind Botschaften, die wir aber nicht verstehen können. Sie werden verstümmelt, überlagert und auf ihre Klangeigenschaften reduziert.
1991 Zeitfalten-Teamwork (Bandmaschine, Ulrich Phillipp: Piezos)
In Teamwork improvisieren zwei Spieler A und B. Spieler A produziert Klänge durch Spiel mit der Rückkopplung zwischen einem auf eine Metallplatte geklebten und einem frei beweglichen Piezokristall. Spieler B spielt die Bandmaschine.
1992 Zeitfalten-Falten (2 Bandmaschinen)
In Falten werden zwei Bandmaschinen hintereinandergeschaltet. Damit ergeben sich zwei Speicher, die sich gegenseitig füllen können. Durch Überlagerung werden aus Brummen und Rauschen Klänge erzeugt. Beispiele.
1994 Zeitfalten-Video 1 (Performance mit Videokamera und -Projektor)
Bei Video 1 wird die Zeitschleife optisch und akustisch aufgebaut. Aktionen einer Person im Projektionsfeld eines Videoprojektors werden mit einer Videokamera aufgenommen. Dann wird dieser Film projiziert und mit weiteren Aktionen der Person wieder aufgenommen. Dieser Vorgang wird 5-6 mal wiederholt.
1994 Zeitfalten-Reportage (Bandmaschinen)
Bei Reportage wurden auf einem Seminar über experimentelle künstlerische Ansätze Gespräche aufgenommen und anschließend in einem Doppelspeicher verarbeitet. Reportage ist die einzige Zeitfalte, in der ein vorher bespieltes Band verarbeitet wird.
1995 Zeitfalten-QMDK (Bandmaschine, Hans Leo Rohleder: Videofilm)
QMDK ist eine Videokomposition von H.L.Rohleder. Aus dem laufenden Fernsehprogramm wird ein abstrakter Film ohne Ton erzeugt und projiziert. Die Tonspur wird als Material für die Zeitfalte verwendet.
1995 Zeitfalten-TimeStripes (Bandmaschine, H. L. Rohleder: Videofilm)
TimeStripes benutzt das Videosignal eines Videofilmes (BLUESTRIPES) als Eingang für die Zeitfalte. Die Klänge aus dem Speicher werden als Videosignal wieder dem Film beigemischt (in blau).
1997 Video-Bild-Ton
(Bandmaschinen, H. L. Rohleder: Videomischpult, U. Springer: Malen)
Ähnlich wie in TimeStripes werden die Videosignale eines Videomischpults
als Eingang für eine Doppelzeitfalte.verwendet. Die Klänge aus dem Speicher
werden als Videosignal wieder in das Videomischpult geleitet und in Blau ins
Bild gemischt. Das Videobild wird auf eine Leinwand projiziert, auf der die Malerin Ulrike Springer malt.
1998 TimeStripes (Bandmaschinen, H. L. Rohleder: Videomischpult)
Ähnlich wie in TimeStripes werden die Videosignale eines Videomischpults als Eingang für eine Doppelzeitfalte.verwendet. Die Klänge aus dem Speicher werden als Videosignal wieder in das Videomischpult geleitet. Das Videobild wird auf eine Leinwand projiziert. Es gibt kein Material von aussen. Ton und Bild erzeugen sich gegenseitig.
2000 ZeitfaltenZeiten (Bandmaschinen, Stimmen)
Mit Mikrofonen werden Stimmen aufgenommen, und zwar auf MD-Recorder und auf die erste Bandmaschine. Von dieser läuft das Band zur zweiten Bandmaschine, wo es nach 20 sec. abgespielt und dem Eingangssignal beigemischt wird, d.h. die Aufnahmen überlagern sich. Dieser Prozess ist zunächst unhörbar, da die Lautsprecher ausgeschaltet sind.
Nach 5 Minuten werden die Lautsprecher eingeschaltet und die MD-Aufnahme gestoppt. Jetzt wird die MD gespielt und als Material für die Bandschleife verwendet. Der MD-Player gestattet sehr kurze Wiederholungen (Zeitschleifen) und Zeitsprünge vor und zurück. Nach einiger Bearbeitungszeit wird der Speicher gelöscht. Jetzt wird die MD-Aufnahme abgespielt und im Speicher überlagert, d.h. der zu Beginn unhörbare Prozess wird jetzt hörbar wiederholt, aber um ca. 20 Minuten zeitverschoben. ZeitfaltenZeiten wurde bereits in verschiedenen Besetzungen aufgeführt.
2011 Zeitfalten Video 2 (Camcorder, Videomixer, Festplattenrecorder, MP3-Player)
Mit dem Camcorder wird live aufgenommen, über den Festplattenrekorder mit Timeshift verzögert und über das Mischpult der Aufnahme überlagert.
Zeitfalten Video 2, München 2011
2015 Zeitfalten FeedBack (3 A77)
Im ersten Teil wird auf der mittleren A77 mit normaler Bandführung das Signal des Wiedergabekopfes über ein Mischpult
auf den Aufnahmekopf geleitet. Dabei kann über Mikrofon Stimme beigemischt werden.
Es handelt sich also um eine kontrollierte Echo-Schaltung (Feedback).
Im zweiten Teil wird die Aufnahme des ersten Teils verwendet.
Das Band der zweiten Bandmaschine (Aufnahme) wird zu einer dritten geleitet (Wiedergabe) und dort abgespielt.
Dieses Wiedergabesignal wird wiederum am Mischpult mit dem Eingangssignal zur Aufnahme gemischt.
Zeitfalten FeedBack, Berlin 2015